Was sind Panikattacken und wie geht man damit um
„Kannst du mir bitte helfen, ich habe gerade eine krasse Panikattacke“ – hilflos schaut mich mein Sitznachbar im Flieger von Wien nach Berlin an.
Wir rollen gerade zur Abflugbahn, als ich bemerkte, wie sehr mein Herz zu rasen beginnt. Ich hatte Angst, dass ich mich übergeben muss. Mir war kotzübel. Mir wurde heiß, ich bekam einen Zitteranfall, Schweißausbruch und wurde kurzatmig. Meine Stressreaktion* ist Flucht, aber dass ich nun kurz vorm abheben nicht mehr flüchten kann, war mir klar. Ich dachte, dass ich jeden Moment hyperventiliere und bekam keine Luft mehr. Das war die schlimmste Panikattacke die ich bis jetzt hatte. Ich dachte, ich überlebe diese Stunde nicht. In meiner Panik wusste ich nicht was ich machen soll auch die Skills die ich in der Therapie zu dem Moment frisch lernte, konnte ich nicht anwenden, da ich schon zu sehr in der Panik drin war.
Ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen, wurde auf meinem Sitz total unruhig, schaute dann zu meinem Sitznachbar rüber und deutete ihm mit, dass ich ihn etwas fragen muss. Eine Sache, die ich so wahrscheinlich niemals gemacht hätte. Die Verzweiflung und Angst war also sehr groß. Ich sagte ihm, dass ich eine Panikattacke habe und er wusste zuerst nicht was er mit der Info anfangen sollte. Fragte mich dann aber sofort, wie er mir helfen könne. Ich habe dann geantwortet, dass er mir etwas erzählen soll. Er hat sich also vorgestellt und mir erzählt, was er in Österreich gemacht hat und was er in Berlin macht. An die Einzelheiten kann ich mich aber überhaupt nicht erinnern. Auch was ich gesagt habe, wusste ich im Nachhinein nicht mehr. Als wir nach 10 Minuten in der Luft waren und sich alles „normalisiert“ hat, habe auch ich mich beruhigt und konnte entspannt Musik hören.
Das war die schlimmste Panikattacke die ich bis jetzt hatte. Diese war vor etwa einem halben Jahr. Zu der Zeit hatte ich auch noch u.a mit Flugangst zu kämpfen. Also eher die Angst, Kontrolle abzugeben und von einem Ort nicht sofort „weg zu können“. Beides bietet der Panikattacke natürlich eine Steilvorlage. Seitdem kann ich mich jedoch an keine weitere Panikattacke mehr erinnern. Was auch der Therapie und den erlernten Skills zu verdanken ist.
*Stressreaktionen; Kämpfen, Flucht oder erstarren = Wenn der Körper denkt er ist in Gefahr – eine Panikattacke täuscht eine Gefahr vor, die (teilweise) aber gar nicht begründet ist. Der Körper reagiert dann entweder durch Kampf oder Flucht, dies ist eine aktive Verteidigungsform in der man die Gefahr entweder bekämpft oder davor flüchtet.
Was ist ein Trigger?
Sogenannte „Trigger“ sind oft Auslöser für eine Panikattacke. Man liest etwas, hört etwas oder ist in einer Situation die einen „Triggert“ und dies kann somit eine Panikattacke hervorrufen.
Trigger ist Englisch und bedeutet „Auslöser“. Trigger, sind Erinnerungen an Traumtische Erlebnisse. Man schreibt deshalb auch bei traumatisierenden Inhalten im Internet eine „Triggerwarnung“. (Abkürzung TW)
Es gibt verschiedene Trigger wie z.B Orte, Gerüche, Geräusche, Personen,…
Ein Trigger trifft einen völlig unerwartet und überraschend, man hat das Gefühl, dass das Ereignis noch einmal passiert. Dies wird u.a auch als „Flashback“ bezeichnet.
Teufelskreis der Angst
Das Angstkarussell wird durch äußere oder interne Reize in Gang gesetzt. Äußere Auslöser sind Situationen, mit denen man unmittelbar konfrontiert ist z.B Treppensteigen, U-Bahn, Vortrag vor einem Publikum, etc. Innere Auslöser sind die Vorstellungen, vor Situationen, die mit Angst einhergehen, körperliche Empfindungen wie z.B Herzrasen, stechen in der Brust oder Gedanken wie z.B. „mir könnte in einem Raum voller Menschen etwas peinliches passieren“. Diese Reize können sich so hochschaukeln, dass eine Panikattacke ausgelöst wird. Wenn diese Reize als „gefährlich“ eingestuft werden aktiviert sich die Flucht,-/Kampfreaktion.
Damit sich unser Körper auf diese Reaktion vorbereiten kann, wird das vegetative Nervensystem angeregt. Diese ist u.a zuständig für die Atmung, den Herzschlag und die Verdauung. Das vegetative Nervensystem wird ergänzt durch zwei Systeme, dem Sympathikus, welcher aktivierend wirkt und dem Parasympathikus welcher entspannend wirkt. Wenn wir in einer Situation sind, die wir also als „Gefährlich“ einstufen, wird Adrenalin ausgesetzt, welches den Sympathikus aktiviert. Die Kampf oder Fluchtreaktion ist evolutionsbedingt und ein sinnvolles Verhaltensmuster falls eine reale Gefahr besteht. Durch die Adrenalinfreisetzung bereitet sich der Körper auf diese vor und pumpt Energie. Körperliche Veränderungen machen sich bemerkbar wie z.B:
- Herzschlag beschleunigt und Blutdruck steigt; kann zu Druckgefühl im Kopf führen
- Bronchien erweitern sich; kann zu Druckgefühl in der Brust führen
- Muskulatur wird stärker durchblutet; kann zu Zittern führen
- Schweißausbruch um den Körper zu kühlen
Die maximale körperliche Erregung einer Panikattacke beträgt etwa 90 Sekunden. Selten dauert eine Panikattacke länger als 30 Minuten.
Quelle: Hagena, Gebauer: Therapie-Tools Angststörungen. Beltz, 2014
Symptome einer Panikattacke
- Herzrasen
- schnelle Atmung / Gefühl zu hyperventilieren / Atemnot / Gefühl keine Luft mehr zu bekommen
- Brustschmerzen
- Schweißausbruch
- Zittern
- Schwindel / Gefühl Ohnmächtig zu werden
- Übelkeit / Gefühl sich übergeben zu müssen / Magen-Darm Beschwerden
- Kribbeln, Taubheitsgefühl in Extremitäten
- Angst vor der Angst
- Gefühl der Entfremdung von der Realität oder der eigenen Person
Tipps für eine anfängliche und/oder akute Panikattacke
Reflektieren ist unumgänglich wenn man unter immer wiederkehrenden Panikattacken leidet. Denn somit erkennt man erste Anzeichen wie z.B Händeschwitzen schneller und kann eine Panikattacke oft abwehren. Diese Tipps kann man zum abwehren verwenden oder auch in akuten Phasen
1. Positive Mantras: Du konzentrierst dich auf die Umgebung, bist im hier und jetzt. Schließt deine Augen und amtest ruhig ein und aus. Dabei kannst du dir immer wieder verschiedene Mantras vorsagen wie z.B: Ich bin stark und schaffe das / Ich vertraue mir und meinem Körper / Ich bleibe im hier und jetzt / ich steigere mich nicht noch mehr hinein / Es wird vorbeigehen / Ich habe schon so vieles geschafft, diese Situation überstehe ich auch / Diese Angst ist nicht real / Die Symptome sind normal, ich werde nicht sterben / Danach bin ich stärker als zuvor / Mein Gehirn ist unbegründet auf Alarmbereitschaft / Ich akzeptiere den Moment / Es dauert nicht lange
2. 4-7-8 Atmung, der Klassiker unter den Skills: Zähle bis vier und atme langsam durch die Nase ein – Halte die Luft an und zähle bis 7 – Atme danach tief durch den Mund aus und zähle dabei bis 8
3. STOPP-Methode: Wenn ich z.B. im Flugzeug sitze und mir denke, was wenn ich mit Übergeben muss und somit im Mittelpunkt stehe? Was ist wenn ich keine Luft mehr bekomme und ersticke? Katastrophengedanken spielen sich ab und drehen sich wie im Karussell. Man sagt leise in sich STOPP oder stellt sich ein rotes Stoppschild vor. Wandelt die Gedanken in positive um: Ich freue mich auf die neue Podcastfolge, das neue Album meiner Lieblingsband, freue mich auf das Ziel, auf Freund:innen und Familie die warten auf mich,….
54321 Methode: Auch eine gute Übung um im hier und jetzt zu bleiben; Lenke deine Aufmerksamkeit nacheinander auf 5 Dinge, die du sehen, 4 Dinge, die du hören, 3 Dinge, die du fühlen, 2 Dinge, die du riechen und 1 Ding, das du schmecken kannst. Wiederhole diese dann immer wieder und fokussiere dich darauf.
Tipps für Außenstehende
- Fragen, was der/die Betroffene in der Situation benötigt / was ihm/ihr hilft
- Selbst ruhig bleiben! Den/die Betroffene ernst nehmen.
- Anbieten, gemeinsam tief und langsam zu atmen (4-7-8 Methode)
- Versuchen wieder zurück in die Realität zu holen; versuchen zu vermitteln, dass die Panik bald wieder vorbeigeht
- Anbieten sich zu bewegen z.B. Spaziergang, frische Luft schnappen
- Den Fokus verlagern – Frage den/die Betroffene die 54321 Methode ab!
Panik,- und/oder Angststörungen lassen sich sehr gut mit einer Psychotherapie behandeln. Betroffene lernen Wege und Techniken wie sie besser mit mit der Angst umgehen können. Oft hat man das Gefühl die Panikattacke „kommt aus dem nichts“ aber oft liegt dem etwas zu Grunde, das für einen momentan nicht sichtbar ist. Auch hierbei hilft eine therapeutische Behandlung um den Grund herauszufinden und dem somit entgegenwirken zu können.